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It has nothing to do with religion! – ‘Desert Children’ by Waris Dirie

28 Oct

I dream about a girl. She is five, or perhaps six, years old. She is black as the night, with wild hair and huge eyes. She is lying on an iron bedstead covered with a green sheet. The room she lies in is dark, cold and empty.

The girl is afraid. She is quivering with fear but staying still otherwise. Only now do I realise why. She is tied down with heavy dark brown leather belts at her wrists and ankles. Her legs are spread wide.

The door opens. Five women come in. She cannot see their faces. Nobody speaks.

One of the women is carrying a white kidney-shaped dish. In it there is a razor blade. The other women have white cloths. The circumciser stands at the foot of the bed in the middle of the room. The women group round her. Nobody says a word.

The circumciser kneels down in front of the girl’s spread legs, puts her little dish on the bed and takes the razor blade in her right hand. Then she moves her hand towards the girl’s genital area.

Suddenly the room is flooded with a stream of light from above. A voice rings out: ‘Don’t do it. Stop! It’s against our religion.’

Then it turn deathly quiet again. The light has disappeared. The circumciser lays the razor blade back in the dish she stand up and slowly leaves the room. The women follow her in silence.

The leather constraints have gone. The girl sits up and finds herself in the middle of a flower-filled meadow. Kneeling next to her is the girl’s mother, saying, ‘It is over. It is over for good.’

Who do people listen to most? Their spiritual leaders, I am convinced of it. Genital mutilation would disappear overnight if the leaders of the world’s religion were to say ‘Mutilation is contrary to the ethical principles of our religious community. Stop doing it.’

No law, no education programme, no political campaign could ever be as effective as a religious leader taking a stand. With only those five words – ‘it is against our religion’ – the could end this horror.

A vision? Perhaps it is only a vision now. I hope it will not stay that way for ever.

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Das hat nichts mit Religion zu tun! – Aus „Schmerzenskinder“ von Waris Dirie

28 Oct

Ich träume von einem Mädchen. Es ist fünf, vielleicht sechs Jahre alt. Es ist kohlrabenschwarz, hat struppige Locken und riesige Kulleraugen. Es liegt auf einer Eisenpritsche, die mit einem grünen Laken bedeckt ist. Der Raum, in dem sie sich befindet, ist ansonsten leer, kahl und düster.

Das Mädchen hat Angst. Es zittert, aber es bewegt sich kaum. Erst jetzt erkenne ich den Grund. Es ist festgeschnallt mit dicken dunkelbraunen Ledergurten, an den Handgelenken und an den Fußknöcheln. Die Beine sind gespreizt.

Die Tür geht auf. Fünf Frauen treten ein. Ihre Gesichter kann ich nicht sehen. Niemand sagt etwas.

Eine Frau trägt eine kleine, weiße Nierenschale in der Hand. Darin liegt eine Rasierklinge. Die Frauen halten weiße Tücher. Die Beschneiderin stellt sich an das Fußende der Pritsche, die in der Mitte des Raumes steht. Die Frauen gruppieren sich um ihn herum. Immer noch hat keine ein Wort gesagt.

Die Beschneiderin kniet sich vor den gespreizten Beinen des Mädchens nieder, stellt ihre Schüssel auf die Pritsche und nimmt die Rasierklinge in die rechte Hand. Dann führt sie die Hand Richtung Scham des Mädchens.

Mit einem Mal wird der Raum von oben herab mit grellem weißen, gebündelten Licht erhellt. Alle schrecken zusammen und schauen nach oben. Eine Stimme ertönt: „Hört auf damit. Es ist gegen unsere Religion.“

Dann ist es wieder totenstill. Das grelle Licht ist verschwunden. Die Beschneiderin legt ihre Rasierklinge zurück in die Schüssel, sie steht auf und verlässt mit langsamen Schritten den Raum. Die Frauen folgen ihr wortlos.

Die Riemen an den Armen und an den Beinen des Mädchens sind nicht mehr da. Das Mädchen richtet sich auf, reibt sich die Augen und sitzt inmitten einer bunten Blumenwiese. Daneben kniet seine Mutter und sagt: „Es ist vorbei. Es ist für immer vorbei.“

Auf wen hören Menschen auf der ganzen Welt am ehesten? Auf geistliche Führungspersönlichkeiten, davon bin ich absolut überzeugt. Genitalverstümmelung wäre von heute auf morgen kein Thema mehr, wenn die Oberhäupter aller Religion sagen würden: „Die Verstümmelung widerspricht den ethischen Grundsätzen unserer Glaubensgemeinschaft. Lasst ab davon.“ Kein Gesetz, keine Aufklärungskampagne, keine Polizei, keine Gerichtstrafe, keine politische Überzeugungsarbeit hat eine solche Macht wie die kirchlichen Würdenträger. Mit nur fünf Worten – „Es ist gegen unsere Religion“ – könnten sie diesen Horror beenden.

Eine Vision? Vielleicht noch heute. Hoffentlich nicht für immer.

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